Sonntag

Arbeiten – Im Team & alleine


"I want the people, I did group projects with to lower me into my grave. So they can let me down one more time"

Den Satz hätte ich definitiv nach dem Abitur unterschrieben. Der Lehrer kündigte freudig eine Gruppenarbeit an? Ein entnervtes Stöhnen von meiner besten Freundin und mir war ihm sicher. Außer mit ihr und wenigen anderen ausgewählten Personen waren Gruppenarbeiten in der Schule ein sehr leidiges Thema. Die Themen waren eigentlich nie dafür geeignet. Alleine hätte man das Ganze viel sorgfältiger und ausführlicher machen können und hätte vielleicht sogar am Ende noch den ganzen Stoff verstanden und nicht nur den Teil, für den man verantwortlich war.

Natürlich verstehe ich, dass man dabei lernen soll, sich abzusprechen, miteinander zu diskutieren und zu verhandeln. Doch sind wir ganz ehrlich: Gruppenarbeiten in der Schule funktionierten immer nur nach einem Motto
T - toll
E - ein
       A - anderer
        M - macht's

Das hat nicht nur unnötig Stress gemacht, sondern am Ende sogar den Lerneffekt verringert und die Note wahrscheinlich auch. Man merkt, ich war eher ein Fan des alleine Arbeitens. Natürlich ist es manchmal schwerer sich da aufzuraffen, aber wenn nur man selber verantwortlich ist, MUSS man es eben machen. Man kann sich alles selber einteilen, braucht keine Absprachen und führt keine stundenlangen Diskussionen über Aufbau, Design und Form des Projekts.
Das Studium hat mich jedoch etwas anderes gelehrt. Alleine hätte ich es hier nicht geschafft. Das Studium selber? Naja, das würde man schon irgendwie schaffen, auch wenn Lerngruppen, ewige Gespräche und Austausch von Mitschriften schon einen gigantischen Unterschied machen. Doch vor allem für das Leben neben der Uni und das (soziale) Engagement wurde Teamarbeit im letzten Jahr für mich unersetzlich. Wo anfangs mein neues Leben in Bayreuth noch von Freizeit dominiert wurde, gibt es heute kaum eine ruhige Minute.

Was auch an einem Herzensprojekt liegt, dass ich mit ca. 35 Kommilitonen organisiere (mein Part ist dabei eher noch ein Kleinerer): Die bayreuther dialoge
Ungefähr vor einem Jahr um diese Zeit ging diese aufregende Reise los. Es ist Tradition, dass die Erstsemesterstudenten des Studiengangs Philosophy & Economics (wir sind natürlich ein paar mehr als 35, aber die Teilnahme ist komplett freiwillig und nicht anrechenbar) diese zweitägige Konferenz mittlerweile seit 15 Jahren auf die Beine stellen. Als Zukunftsforum an der Schnittstelle von Ökonomie, Philosophie und Gesellschaft nehmen wir dieses Jahr unter dem Slogan "Ich denke, aber wer bin ich?" das Thema Identität genauer unter die Lupe. Wer am 27. & 28. Oktober Zeit hat: Es gibt noch Tickets!

Aber genug Eigenwerbung. Was ich damit eigentlich sagen wollte: Wer schon mal eine solch große Veranstaltung organisiert hat, weiß wie viel Arbeit dahinter steckt und dass das niemand alleine stammen kann. Meine Rolle im Ganzen ist recht klein, nicht wirklich tragend. Wenn alle ganz viel zu besprechen haben, muss selten jemand was von mir wissen. Trotzdem hat mir dieses Projekt so viele weitere und positive Aspekte der Gruppenarbeit gezeigt. Klar, klappt zum Beispiel die Kommunikation nicht immer so gut, wie man sich das wünscht und man merkt, dass auf manche Leute kein Verlass ist, aber es ist einfach toll zu sehen, was wir jetzt in diesen (effektiv ca.) 8 Monaten Tolles gemeinsam auf die Beine gestellt haben und welchen Teil man selber dazu beigetragen hat. Ich persönlich habe einfach super viel aus den endlosen Mailkontakten und Telefonaten mit Pressesprechern und Journalisten gelernt. Außerdem auch das Schreiben und Lektorat ganz neu entdeckt.

Neben der "richtigen" Arbeit hat so ein intensives Gruppenprojekt aber noch so viele weitere positive Einflüsse. Das Team gehört zu meinen engsten Freunden hier. Man hat schon so viele schöne gemeinsame Stunden verbracht, in denen man mal mehr mal weniger produktiv war, aber doch immer Spaß hatte. Selten habe ich so coole Partys erlebt, so schlechte Nudeln gegessen und so viele Pizzakartons auf einmal gesehen.

Aber nicht nur da ist die Teamarbeit ein größerer Teil meines Alltags geworden. Jetzt zum neuen Semester lebe ich in einer WG mit tollen Leuten, die ich im Studium kennengelernt habe. Hier fängt die "Gruppenarbeit" beim Putzen an und geht übers Einkaufen bis hin zum gegenseitigen Wecken. Dieses sich gegenseitig helfen, ergänzen und aufeinander achten bereichert jetzt schon die letzten zwei bis drei Wochen meinen Alltag ungemein und ich glaube, dass mir ohne meine Mitbewohner schon wieder alles über den Kopf gewachsen wäre.
Wenn Ihr also Gruppenarbeiten gegenüber genauso skeptisch gegenüber steht, wie ich nach der Schule, so gebt ihnen nochmal eine Chance. Sie können ein Fluch sein, aber auch das Beste im Leben. Liebst, Meike 

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