Dienstag

Wieder top fit ab nach Cambridge

Elite-Unis haben ihren ganz eigenen Charme. Nach draußen posaunen wir alle, dass dort doch eh nur versnobte Schnösel mit zu viel Geld lernen, aber vor allem saufen, doch hätten wir die Möglichkeit, würden wir keine Sekunde zögern und auch diese exquisite Bildung genießen wollen. Im europäischen Raum denken da wohl alle ganz schnell an Oxford und Cambridge. Unis, deren Ruf wahrscheinlich größer ist als die kleinen Städtchen in denen sie liegen. Akkurat gemähte Wiesen, alte Sandstein-Bauten, urige Pubs und die elitären Clubs. Das alles macht das Bild in unserem Kopf von diesen Unis aus.
Zu meinem Geburtstag Anfang Januar hat mir eine Freundin "Der Club" von Takis Würger geschenkt. Noch nie vorher davon gehört, hat mich der Klappentext direkt an den Film "The Riot Club" erinnert, der einer meiner liebsten ist (Darum soll es hier aber gar nicht gehen. Trotzdem eine große Empfehlung). Gemeinsam mit dem Protagonisten Hans wirft man zuerst einen Blick auf seine Kindheit, wie er als stiller Junge behütet bei seinen Eltern in einem gemütlichen Haus am Wald aufwächst, und diese dann viel zu früh verliert. Seine Tante, die Halbschwester seiner Mutter, die ganz offensichtlich mit vielen Problemen zu kämpfen hat, parkt ihn im Internat, wo es ihm nicht gelingt, Anschluss zu finden. Nur eines begleitet ihn immer: Das Boxen.

Das ist auch der Grund, warum ihn seine Tante kurz vor seinem Abitur wieder kontaktiert. Er soll boxen und zwar in Cambridge. Doch nicht nur das. Sie will ihn in eine der wichtigsten Studentenverbindungen einschleusen. Warum, will sie nicht wirklich preisgeben, doch es ist klar, dass Hans schlimme Verbrechen aufdecken soll. Zuerst ist er sich zu 100 % sicher, das Angebot nicht anzunehmen, doch die Möglichkeit ist zu verlockend, eine der besten Universitäten weltweit zu besuchen und auch irgendwie in der Nähe des bisschen Familie zu sein, das ihm noch geblieben ist.
In Cambridge ist das Leben rasant und ereignisreich. Durch seine Tante lernt er schnell Charlotte kennen, für die er bald mehr empfindet, als er es je für möglich gehalten hat. Doch ihr Verhältnis ist nicht einfach, denn auch sie steckt irgendwie tief in den Machenschaften des Boxing Clubs, oder ist sogar ihr Opfer. Während Hans immer mehr den poshen Kreisen der englischen Elite-Uni verfällt, kommt er ihrer Dunkelheit schnell immer näher und steht vor der Entscheidung, ob der Zweck wirklich alle Mittel heiligt.
Takis Würger erzählt Hans’ Geschichte in einer sehr angenehmen und schönen Sprache, die aber keinesfalls den Lesefluss durch unnatürlich hochgestochene Sätze beeinflusst. Ganz besonders ist aber vor allem seine Art, Charaktere vielschichtig zu beschreiben und erst mit der Zeit alle ihrer Seiten aufzudecken, die aber trotzdem immer perfekt aufeinander abgestimmt sind. So lernt man auch Hans im Laufe des Buches immer besser kennen und versteht vor allem, wie seine Kindheit ihn langfristig geprägt hat.
 Durch sein eigenes Studium in Cambridge gelingt es Würger sehr gut, die Atmosphäre der Stadt, das Leben und die Gesellschaft zu beschreiben. Für uns in Deutschland, wo Studentenverbindungen lange nicht so groß sind, ist das besonders faszinierend. Das Buch schafft es, einen beim Lesen in eine andere Welt zu entführen, die doch eigentlich gar nicht so weit entfernt ist. Es erzählt von Ignoranz, dem Einfluss von Geld und Macht, aber auch von ganz grundlegenden zwischenmenschlichen Dingen. Besonders jetzt in den noch kalten Wintertagen ein Buch, das ich jedem nur empfehlen kann, mit einer Tasse gutem Tee zu genießen.
Ich selber bin hier in Bayreuth doch ein Stück von der Elite-Uni entfernt. Ein ganz schön großes, um ehrlich zu sein, aber das stört mich kein bisschen. Auch hier ist der Leistungsanspruch hoch, ich werde gut von Professoren betreut und wenn ich in meine Fakultät gehe, freue ich mich, jeden grüßen zu können. Ich kann jedoch nicht sagen, dass mich der Charme von Elite-Unis kalt gelassen hat. Cambridge, aber vor allem Oxford waren lange Orte, für die ich vielleicht sogar meinen kleinen Finger geopfert hätte.
Heute bin ich froh, in Deutschland zu sein, in der besten WG Bayreuths zu wohnen, eine gesunde Zahl von guten Freunden gefunden zu haben und wer weiß, wo mich der Master hinbringt. Das Studium ist schon so aufregend genug, im nächsten Semester geht es auf ins Auslandssemester nach Rotterdam und danach steht schon ein Praktikum in Frankfurt an. Irgendwie geht alles rasend schnell und die drei Jahre ziehen nur so im Flug an mir vorbei. Leider heißt das nicht, dass sich die Klausuren von selber schreiben und ich muss wohl jetzt endlich mal mit dem richtigen Lernen beginnen, nachdem ich schon alles zusammengefasst habe, was nur ging. Wenn Ihr auch gerade im Klausurenstress seid, drücke ich Euch ganz doll die Daumen! Wir schaffen das schon alle irgendwie. Liebst, Meike

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